Power-to-Liquid (E-Fuels)

weißer Schiffscontainer mit der Power-to-Liquidanlage bei Tag mit geöffneten Türen.C. Ruf, KIT
Der CO2-Ausstoß, den wir mit unserer heutigen Art der Mobilität verursachen, schadet dem Klima. Deshalb ist die Verkehrswende wichtig. Antworten auf die Frage, wie man klimaneutrale Kraftstoffe aus Ökostrom herstellt, findet das Power-to-Liquid-Team.

Power-to-Liquid-Prozesse

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Hybridverfahren zur Erzeugung von E-Methanol und Biomethan

Dem Klimawandel entgegenzuwirken ist die Herausforderung der KIT-Ausgründung ICODOS (Intelligent Carbon Dioxide Solutions). Mit einem eigens entwickelten Verfahren erzeugt ICODOS Biomethan und E-Methanol aus Klärschlamm und biologischen Abfällen. Natürlich wird für den Prozess Ökostrom genutzt.
Biogas ist eine kohlenstoffneutrale Energie- und CO2-Quelle. Daraus wird zunächst das enthaltene Kohlendioxid (CO2) abgetrennt. In einem kombinierten Verfahren wird dieses CO2 zusammen mit grünem Wasserstoff (H2) zu Methanol umgewandelt.
Mit der von ICODOS entwickelten Technologie lässt es sich zu hochwertigem Biomethan aufbereiten. Gleichzeitig kann man aus dem anfallenden CO2 grünes E-Methanol herstellen. Es handelt sich also um einen neuartigen Hybridprozess, bei dem sowohl Energie als auch Kosten gespart werden können.
Ein großer Vorteil dieses Verfahrens ist, dass sich das Produkt der Methanolsynthese als Lösungsmittel für CO2 verwenden lässt. Es regeneriert sich kontinuierlich nebenbei. Deshalb mindern Lösungsmittelabbau oder -verlust nicht die Leistung. So erhöht sich die Lebensdauer der Anlage und der Wartungsaufwand wird reduziert. Außerdem verringert sich durch die Integration der beiden Verfahren die Zahl der Instrumente und Schnittstellen. Somit ist diese einzigartige Kombination von CO2-Abscheidung und Methanolsynthese die effizienteste CO2-Abscheidungstechnologie.

Synthetische Kraftstoffe aus Fischer-Tropsch-Synthese

Wir müssen die CO2-Emissionen im Verkehrssektor drastisch reduzieren. Gleichzeitig müssen wir den weltweiten Transport von Gütern und Personen sicherstellen, weshalb wir eine CO2-neutrale Mobilität brauchen. Aber wie?
Elektromobilität mit Strom aus erneuerbaren Quellen kann nicht die Antwort auf alle Fragen sein. Schwerlastverkehr, Flugverkehr und Schifffahrt funktionieren nicht ohne die hohe Energiedichte von flüssigen Kraftstoffen.
Deshalb werden im Energy Lab 2.0 nach dem Power-to-Liquid (PtL oder P2L)-Konzept flüssige Kraftstoffe mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen und CO2 hergestellt, bis zu 200 l pro Tag. Das Kohlendioxid wird direkt oder indirekt aus der Atmosphäre entnommen. Das CO2, das am Ende z.B. von Schiffen, Flugzeugen oder LKWs bei der Nutzung der sogenannten E-Fuels emittiert wird, wird also vorher der Luft entnommen. Damit ist der CO2-Kreislauf geschlossen und der Kraftstoff ist CO2-neutral.
Um die E-Fuels aus erneuerbarem Strom, Wasser und CO2 herstellen zu können, müssen mehrere Prozesse zu einer Prozesskette zusammengeschaltet werden. Im Energy Lab 2.0 untersuchen die Forscher verschiedene Prozessoptionen und -kombinationen. Alle untersuchten PtL-Prozessketten umfassen die folgenden grundlegenden Schritte:

Schritt 1: Gewinnung von CO2 aus der Luft oder anderen nicht-fossilen Quellen

Kohlendioxid kann zum einen aus den Abgasen großindustrieller Prozesse wie der Zementherstellung gewonnen werden, die das Klimagas auch dann freisetzt, wenn keine fossilen Brennstoffe mehr verwendet werden. Weitere Quellen sind Müllverbrennungsanlagen oder biogene Quellen wie Biogasanlagen. Und schließlich kann CO2 mit so genannten Direct Air Capture (DAC)-Verfahren direkt aus der Umgebungsluft gefiltert werden. Bei einem solchen Verfahrenstyp wird die Luft über ein spezielles Filtermaterial geleitet oder mit einer speziellen Flüssigkeit in Kontakt gebracht, an oder in der das CO2 selektiv gebunden ist. Sobald das Material oder die Flüssigkeit mit CO2 beladen ist, wird das gebundene CO2 z.B. durch die Erhöhung der Temperatur wieder freigesetzt und kann so in reiner Form für den nachfolgenden Prozessschritt zurückgewonnen werden. Dies untersucht das KIT gemeinsam mit Partnern in verschiedenen Forschungsprojekten im Energy Lab 2.0.
Um den Energieaufwand für die Luftbewegung bei der DAC zu reduzieren, können diese Systeme auch in großen Bürokomplexen, Supermärkten und anderen Gebäuden mit Klima- und Lüftungstechnik eingesetzt werden. Viele Menschen oder Unternehmen extrahieren dann kollektiv CO2 und wandeln es - nach dem Crowd-Oil-Prinzip - in den nachfolgend beschriebenen Schritten in andere Brennstoffe um.

Schritt 2: Erzeugung von Synthesegas über einen Elektrolyseprozess und CO2

Im Power-to-Liquid-Konversionsprozess spielt Wasserstoff aus der Elektrolyse die Rolle des universellen Energieträgers als Zwischenschritt auf dem Weg zu synthetischen Kraftstoffen. Grüner Wasserstoff kann durch Elektrolyse von Wasser (z.B. PEM-Elektrolyse) oder Dampf (Festoxid-Elektrolyse) mit grünem Strom erzeugt werden. Beide Elektrolyseverfahren sind im Energy Lab 2.0 verfügbar.CO2 ist ein sehr inertes Molekül. Daher wird für die eigentliche Kraftstoffsynthese im dritten Schritt der Prozesskette ein Synthesegas benötigt. Synthesegas ist das Gemisch aus Wasserstoff und reaktivem Kohlenmonoxid (CO). Das Synthesegas kann aus Wasserstoff - z.B. aus der gängigen PEM- oder Dampfelektrolyse - und CO2 über eine chemische Reaktion, die sogenannte umgekehrte Wassergasverschiebungsreaktion (kurz RWGS), hergestellt werden. Bei diesem Verfahren reagiert das Kohlendioxid mit Wasserstoff zu Kohlenmonoxid und Wasser. Man könnte sagen, dass man einen Teil des Wasserstoffs für die Kohlendioxidumwandlung opfert. Mit der so genannten Co-Elektrolyse von Wasserdampf und Kohlendioxid kann das Synthesegas sogar elektrolytisch aus CO2 und Wasserdampf direkt in einem Schritt hergestellt werden. Diese Variante wird im Kopernikus-Projekt "P2X" vom KIT zusammen mit seinem Partner Sunfire im Energy Lab 2.0 entwickelt. Mit der PEM und der Dampfelektrolyse in Kombination mit der RWGS-Reaktion und der Co-Elektrolyse stehen den Wissenschaftlern im Energy Lab 2.0 somit drei Optionen zur Synthesegaserzeugung zur Verfügung. Darüber hinaus kann das in der bioliq®-Prozesskette aus Biomasseresten erzeugte Synthesegas auch für die Kraftstoffsynthese im Energy Lab 2.0 genutzt werden.

Schritt 3: Synthese von Kraftstoffmolekülen aus Synthesegas

Langkettige Kohlenwasserstoffmoleküle können aus Synthesegas in einem als Fischer-Tropsch-Synthese bekannten Verfahren hergestellt werden. Diese Moleküle sind die wesentlichen Bestandteile von E-Fuels und entsprechen chemisch den Molekülen, die auch in den uns heute bekannten fossilen Brennstoffen enthalten sind. Die Reaktion selbst wurde bereits in den 1920er Jahren von Franz Fischer und Hans Tropsch entwickelt. Neu im Energy Lab 2.0 ist der Einsatz von kompakten chemischen Reaktoren, die am KIT entwickelt und von der KIT-Ausgründung INERATEC GmbH kommerzialisiert wurden. Diese Reaktoren sind im Inneren mikrostrukturiert und dadurch hocheffizient, so dass sie zum Beispiel auch in einer Containeranlage eingesetzt werden können. Darüber hinaus sind die Reaktoren modular aufgebaut und damit leicht skalierbar. Die Wärme, die bei dieser Reaktion freigesetzt wird, kann von diesen kompakten Reaktoren sehr gut abgeführt werden, so dass nicht nur die Reaktion gut kontrolliert werden kann, sondern auch die Energie effizient genutzt werden kann: Im Energy Lab 2.0 wird die freigesetzte Reaktionswärme in Form von Dampf an anderen Stellen der Prozesskette genutzt, was den Gesamtwirkungsgrad der Prozesskette erhöht. Die Produkte der Fischer-Tropsch-Synthese weisen naturgemäß eine breite Verteilung der Molekülkettenlänge auf. Die Kettenlänge ist ein wichtiger Faktor für ihre Eignung als erneuerbare Version des Kerosins, Diesels oder Benzins, das wir heute kennen. Die Produkte der Fischer-Tropsch-Synthese lassen sich je nach ihrer Molekülkettenlänge in drei Bereiche einteilen: Die Moleküle mit mittlerer Kettenlänge stellen bereits die optimalen Ausgangsstoffe für die flüssigen E-Treibstoffe und damit das Zielprodukt dar. Die zu kurzen und damit gasförmigen Molekülketten werden innerhalb des Prozesses wiederverwendet und so in die Synthesegaserzeugung zurückgeführt. Die sehr langen Molekülketten sind bei Raumtemperatur fest - deshalb werden sie auch als "Wachse" bezeichnet. Sie können als wertvolle Produkte z.B. in der chemischen Industrie verwendet werden, eignen sich aber nicht direkt als Brennstoff - die Kettenlänge muss erst reduziert werden. Dies geschieht im Energy Lab 2.0 im vierten und letzten Schritt der Prozesskette.

Schritt 4: Produktaufbereitung zu E-Fuel

Im letzten Schritt der Prozesskette werden die Produkte aufbereitet und optimiert. Ziel ist es, die Produkte direkt nach der Fischer-Tropsch-Synthese so zu modifizieren, dass sie der Norm entsprechen und somit als Kraftstoff verwendet werden können. Dabei wird eine Vielzahl von chemischen und physikalischen Eigenschaften angepasst. Die Kettenlänge wird optimiert und Verzweigungen in die Kohlenwasserstoffketten werden durch das so genannte "Hydrocracken und Isomerisieren" eingeführt. Ersteres geschieht durch Aufspaltung von Kohlenwasserstoffmolekülen mit zu langen Ketten (Wachsen). In diesem letzten Prozessschritt werden also nicht nur die Produkteigenschaften optimiert, sondern auch die Gesamtkraftstoffausbeute erhöht, da die Produktverteilung in den optimalen Kettenlängenbereich verschoben wird. Abhängig von den Betriebsparametern und den verwendeten Katalysatoren kann bevorzugt Kerosin, Diesel oder Benzin hergestellt werden. Dieser letzte Prozessschritt wird im Energy Lab 2.0 im Rahmen des Forschungsprojekts reFuels in die Prozesskette implementiert.

 

Mit den Anlagen der PtL-Prozesskette im Energy Lab 2.0 haben die Forscherinnen und Forscher nun die Möglichkeit, eine Vielzahl von Fragen durch Experimente im größeren Maßstab zu beantworten.

Mehr zu den Prozessketten

Auch wenn die einzelnen Schritte der beschriebenen PtL-Prozesskette inzwischen gut bekannt und teilweise kommerzialisiert sind, betritt das Energy Lab 2.0 mit der Umsetzung dieser Prozessketten in diesem Maßstab Neuland. Durch die Verknüpfung der einzelnen Prozesse zu einer integrierten Prozesskette lassen sich viele Vorteile ableiten, aber auch einige praktische Fragen können nun von den Forschern beantwortet werden. Ein Schwerpunkt der Arbeiten zu Power-to-Liquid-Prozessketten im Energy Lab 2.0 ist die Gesamteffizienz der Prozesskette: Durch die geschickte Verknüpfung der einzelnen Schritte zu einer integrierten Prozesskette sollen Synergieeffekte bestmöglich genutzt werden, um eine hohe Effizienz zu erreichen, d.h. möglichst viel des erneuerbaren Stroms in den PtL-Produkten (E-Fuels) für eine spätere Nutzung zu speichern. Darüber hinaus können mit den Anlagen des Energy Lab 2.0 die optimalen Betriebsparameter für die Herstellung von Kraftstoffen ermittelt werden, die letztlich nur mit regenerativen Verfahren normgerecht sind. Ein weiterer Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt liegt auf dem dynamischen Betrieb der Prozessketten. Es besteht kein Zweifel daran, dass erneuerbarer Strom die primäre Energiequelle im Energiesystem der Zukunft sein wird bzw. sein muss, aber er kann naturgemäß nicht kontinuierlich an einem Ort erzeugt werden, da Wetter, Tages- und Jahreszeiten das Angebot bestimmen. Um einen Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes durch PtL-Technologien zu leisten (siehe auch EGSAL@Energy Lab 2.0), untersuchen die Forscher im Energy Lab 2.0, wie PtL-Prozessketten unter dynamischen Betriebsbedingungen betrieben werden können. All diese Fragen werden in Forschungsprojekten wie reFuels, Kopernikus P2X oder Powerfuel gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung bearbeitet.